
Was ist der Gartner Hype Cycle?
Der Gartner Hype Cycle ist ein bekanntes Modell: Neue Technologien werden zunächst überhöht, stürzen danach ins Tal der Ernüchterung und tauchen später wieder auf, wenn konkrete Anwendungsfälle gefunden sind. Dieses Bild ist eingängig, leicht verständlich. Und wird seit Jahren in Präsentationen zitiert.
Doch die entscheidende Frage lautet: Wie verlässlich ist der Hype Cycle tatsächlich?
Gartner Hype Cycle: Analyse der Erfolgsquote
Ich habe mir die historischen Zyklen genauer angesehen und die Prognosen von Gartner überprüft. Das Ergebnis ist überraschend:
- Die Erfolgsquote liegt bei nur 46 %. Weniger als jede zweite Technologie, die als „emerging“ eingestuft wurde, hat den Weg in den Mainstream tatsächlich geschafft.
- Zusätzlich verschwinden jedes Jahr 50–72 % der Technologien still und leise aus dem Modell, ohne dass erkennbar ist, ob sie erfolgreich waren oder gescheitert sind.
Das bedeutet: Fast die Hälfte der Prognosen verläuft im Sand. Oder anders gesagt: Ein Münzwurf wäre in vielen Fällen genauso zuverlässig.
Erfolgreiche Prognosen: Die „Hits“ im Hype Cycle
Natürlich gab es auch richtige Einordnungen. Cloud Computing, Mobile Computing, 3D-Druck und Natural Language Processing wurden zutreffend in ihrer Relevanz prognostiziert.
Fehlprognosen: Wenn Gartner daneben lag
Gleichzeitig gibt es eine Reihe spektakulärer Fehlprognosen: Web 2.0, das semantische Web, Second Life, SOA oder Social TV. Alles Themen, die groß gehandelt wurden, aber längst in der Versenkung verschwunden sind.
Übersehene Technologien: Die blinden Flecken des Modells
Und dann sind da noch die Technologien, die Gartner kaum beachtet hat, die aber enorme Veränderungen gebracht haben: NoSQL-Datenbanken, x86 Virtualisierung, Open Source Software. Sie bilden heute das Fundament zahlreicher Anwendungen, standen aber kaum im Rampenlicht des Hype Cycles.
Generative KI: Der Sonderfall im Hype Cycle
Besonders spannend ist die Betrachtung der jüngsten Zyklen (2020–2025). Hier zeigt sich: Generative KI folgt einem anderen Muster.
Während klassische Technologien oft Jahre brauchten, um Substanz nach dem Hype zu liefern, hat Generative KI den Höhepunkt extrem schnell erreicht und gleichzeitig kontinuierliche Fortschritte geliefert. Das könnte bedeuten, dass dieses Modell an seine Grenzen stößt und für die Dynamik moderner Innovationen nicht mehr ausreicht.
Kritik am Hype Cycle: Schwächen und methodische Probleme
Warum ist der Hype Cycle so unzuverlässig? Aus meiner Analyse ergeben sich mehrere Gründe:
- Survivor Bias: Erfolgreiche Technologien bleiben leichter im Gedächtnis als gescheiterte. Das verzerrt die Wahrnehmung.
- Fehlende empirische Grundlage: Das Modell basiert nicht auf wissenschaftlich fundierten Studien, sondern auf Einschätzungen.
- Statische Extrapolation: Es vermittelt den Eindruck, Innovation verläuft linear und vorhersagbar, obwohl sich das Tempo heute exponentiell beschleunigt.
- Inkonsistente Anwendung: Die starke Volatilität von Jahr zu Jahr deutet auf subjektive Methodik hin.
- Und nicht zuletzt: Die Vermutung liegt nahe, dass die Sichtbarkeit mancher Technologien auch von Marketinginteressen beeinflusst wird.
Fazit: Was Unternehmen aus dem Hype Cycle lernen können
Der Hype Cycle ist ein nützliches Instrument zur Orientierung, aber er darf nicht überbewertet werden. Sein eigentlicher Wert liegt darin, Technologien sichtbar zu machen, über die man nachdenken sollte, nicht darin, exakte Prognosen oder Zeitpläne zu liefern.
Für Entscheider:innen im Unternehmen heißt das: Nutze den Hype Cycle als Impulsgeber, aber nicht als strategische Landkarte. Die bessere Grundlage bleibt eine eigene, datengetriebene Technologie- und KI-Strategie.
Denn am Ende ist eines sicher: Der Münzwurf hat eine ähnlich hohe Trefferquote – und kostet dich keine Gartner-Lizenz.