Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit

Im Grunde gut

Im Grunde gut

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ISBN: 349900416X

Der Historiker Rutger Bregman setzt sich in seinem Buch mit dem Wesen des Menschen auseinander.

Anders als in der westlichen Denktradition angenommen ist der Mensch nicht böse, sondern, so Bregman, im Gegenteil: von Grund auf gut. Und geht man von dieser Prämisse aus, ist es möglich, die Welt und den Menschen in ihr komplett neu und grundoptimistisch zu denken. In seinem mitreißend geschriebenen, überzeugenden Buch präsentiert Bregman Ideen für die Verbesserung der Welt. Sie sind innovativ und mutig und stimmen vor allem hoffnungsfroh.

 

Take Aways

Hier meine Zitate aus dem Buch, die ich für besonders teilenswert erachte.

Krieg und die Ablenkung

Folgende Szenen beobachtete der Psychiater kurz nach der Auslösung eines Fliegeralarms: Kleine Jungs spielten weiterhin auf dem Bürgersteig, Kunden ließen sich beim Feilschen nicht unterbrechen, ein Polizist regelte den Verkehr in königlicher Gelangweiltheit, und die Radfahrer trotzten dem Tod und den Verkehrsregeln. Niemand, soweit ich erkennen konnte, schaute zum Himmel.

«Aber nein. Was würde das helfen?» Alle Anzeichen wiesen darauf hin, dass Hitler den Charakter der Briten falsch eingeschätzt hatte. Keeping a stiff upper lip – die Ohren steifhalten. Der trockene Humor.

Die Briten reagierten auf die Bomben der Luftwaffe wie auf die Verspätung eines Zuges: lästig, aber es gab Schlimmeres im Leben. Die Züge fuhren auch während der Luftangriffe weiter, und der Schaden für die Wirtschaft hielt sich in Grenzen. Im April 1941 wurde die britische Kriegsproduktion durch den Ostermontag, an dem alle Arbeiter freihatten, stärker getroffen als durch den Luftangriff.

Nach dem Krieg sehnten sich viele Briten sogar nach der Zeit des Luftkrieges zurück, als jeder jedem half und es keine Rolle spielte, ob man links oder rechts, arm oder reich.

Die Bombardements seien ein Fiasko gewesen. Die deutsche Kriegswirtschaft sei daraus wahrscheinlich eher gestärkt hervorgegangen, weshalb der Krieg länger gedauert haben dürfte. Zwischen 1940 und 1944 hatte sich die Produktion deutscher Panzer um den Faktor neun erhöht. Die von Kriegsflugzeugen sogar um den Faktor vierzehn.

Elite Panik

Rebecca Solnit in ihrem großartigen Buch A Paradise Built in Hell (2009) über den Hurrikan Katrina, «ist, dass elite panic entsteht, weil die Machthaber die Menschheit für ihr eigenes Ebenbild halten.»  Könige und Diktatoren, Gouverneure und Generäle glauben, dass die einfachen Menschen egoistisch sind, weil sie selbst es so oft sind. Sie greifen zu Gewalt, weil sie etwas verhindern wollen, das sich allein in ihrer Phantasie abspielt.

Wirkt über den Placebo-Effekt hinaus

Und das ultimative Placebo? Operieren! Ziehen Sie sich einen weißen Kittel an, sorgen Sie für eine Narkose, trinken Sie eine Tasse Kaffee und erzählen Sie Ihrem Patienten beim Aufwachen, dass die Operation einen atemberaubenden Erfolg gehabt hat. Eine große Übersichtsstudie im British Medical Journal, in der echte Operationen bei Rückenschmerzen oder Sodbrennen mit einem solchen Als-ob-Spiel verglichen wurden, ergab, dass das Placebo in drei Vierteln der Fälle wirkte. Bei der Hälfte sorgte das Placebo sogar für eine vergleichbare Schmerzlinderung wie ein tatsächlich durchgeführter Eingriff.

Nocebo

Das bedeutet nicht, dass die Opfer simulierten. Mehr als tausend belgische Kinder verspürten wirklich Übelkeit, Fieber und Schwindel. Wenn der Nocebo-Effekt uns etwas lehrt, dann, dass Ideen nicht einfach nur Ideen sind. Was wir glauben, bestimmt, was wir werden. Was wir suchen, bestimmt, was wir finden. Was wir vorhersagen, bestimmt, was tatsächlich eintritt.

Die Korrelation zwischen Kindern, die gewalttätige Bilder sehen, und Aggression im späteren Leben ist stärker als die Verbindung zwischen Asbest und Krebs oder von Kalziumaufnahme und Knochenmasse.

So baute der Philosoph die Grundlage für einen Standpunkt, der tausend-, nein, millionenfach von Direktoren und Diktatoren, Ministern und Generälen wiederholt werden sollte: «Gebt uns die Macht, sonst läuft es schief.»

Besitz

Rousseau war nicht nur ein großer Denker, er schrieb auch mit spitzer Feder. Nehmen Sie diese knallharte Passage über die Erfindung des Privateigentums: Der Erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: «Das ist mein» und so einfältige Leute fand, die das glaubten, wurde zum wahren Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wieviel Verbrechen, Kriege, Morde, Leiden und Schrecken würde einer dem Menschengeschlecht erspart haben, hätte er die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinesgleichen zugerufen: «Hört ja nicht auf diesen Betrüger. Ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören, die Erde keinem!»

Die Menschheit

Das Erste, was man bei der Untersuchung der Menschheit realisieren muss, ist, wie jung sie ist. Wir fangen gerade erst an zu existieren. Um Ihnen eine Vorstellung zu geben: Nehmen wir an, dass die Geschichte des Lebens auf der Erde nur ein einziges Kalenderjahr statt 4000 Millionen Jahre umfassen würde. Dann hätten die Einzeller den Planeten bis Mitte Oktober für sich allein gehabt. Erst im November entstand das Leben, wie wir es kennen, mit Beinen, Knochen, Zweigen und Blättern. Und der Mensch? Der betrat am 31. Dezember, gegen 23 Uhr, die Bühne. Dann verbrachten wir rund eine Stunde als Jäger und Sammler, um im letzten Augenblick, etwa gegen 23:58 Uhr, die Landwirtschaft zu erfinden. In den 60 Sekunden vor Mitternacht ereignete sich alles, was wir «Geschichte» nennen, mit Pyramiden und Burgen, Rittern und Burgfräuleins, Dampfmaschinen und Flugzeugen.

Motoren der Evolution

Niemand. Nichts ist ausgedacht, nichts entworfen. Schmerz, Leid und Kampf sind nun einmal die Motoren der Evolution. Ist es nicht merkwürdig, dass Darwin die Veröffentlichung seiner Theorie jahrelang aufgeschoben hat? Er schrieb einem Freund, dass es sich anfühle, als würde man «einen Mord gestehen».

Machiavellistischen Intelligenz

Hypothese der «machiavellistischen Intelligenz» nach dem berühmten Werk Der Fürst (1532) des italienischen Philosophen Niccolò Machiavelli. Machiavelli erklärt in seinem Buch, dass ein Herrscher ständig lügen und betrügen müsse, um an der Macht zu bleiben. Das täten wir, nach seiner Hypothese, seit Millionen von Jahren. Wir würden uns auf immer raffiniertere Weise gegenseitig betrügen. Unsere Hirne wären dabei vergleichbar mit dem Anwachsen der Atomwaffenarsenale der USA und der Sowjetunion während des Kalten Krieges. Das Konstruieren von Lügen kostet nun einmal mehr Energie als das Aussprechen der Wahrheit. Und das Resultat dieses Rüstungswettlaufs? Ein Superhirn.

Survival of the friendliest

Aber warum? Warum sind Menschen, die erröten, noch nicht ausgestorben?

The survival of the friendliest. Wenn Dmitri recht hat.

Das Muster war deutlich zu erkennen. Unsere Gesichter sind viel weicher, jugendlicher und femininer geworden. Unser Gehirn ist um mindestens zehn Prozent geschrumpft, und auch unsere Zähne und Kieferknochen sind «pädomorph» geworden, wie es die Anatomen bezeichnen. Heißt: kindlich.

«Wenn man einen intelligenten Fuchs will», schrieb er, «selektiert man nicht nach Schlauheit, sondern nach Freundlichkeit.»

Menschen scheinen supersoziale Lernmaschinen zu sein. Wir werden geboren, um zu lernen, uns miteinander in Verbindung zu setzen und zu spielen.

Leute, die erröten, lassen erkennen, dass sie etwas darauf geben, was andere von ihnen denken.

«Die logische Schlussfolgerung ist», schreibt der Militärexperte Dave Grossman «dass die meisten Soldaten nicht versuchten, den Feind zu töten.»

Tausende Menschen müssen am Bau des Göbekli Tepe mitgewirkt haben, wie dieser älteste Tempel der Welt heißt. Wissenschaftler sprechen auch von einem «collective work event». Die Pilger kamen von weit her, um ihren Anteil zu leisten. Ein großes Fest schloss sich an, bei dem zahlreiche Gazellen gebraten wurden (Archäologen wissen das, weil Tausende von Knochen gefunden wurden). Der Zweck dieser Denkmäler war es nicht, dem Ego eines Herrschers zu schmeicheln. Ziel war es, Menschen zusammenzubringen.

Die hat mit uns zu tun. Die Parallelen zwischen der Osterinsel und dem Planeten Erde sind nämlich erschreckend. Die Osterinsel ist ein Tüpfelchen im Ozean; die Erde ist ein Pünktchen im Kosmos. Sie hatten keine Boote, um zu fliehen; wir keine Raumschiffe, um zu entkommen. Die Osterinsel wurde abgeholzt und übervölkert, unsere Welt wird verschmutzt und überhitzt.

Und so kommen wir zu einer ziemlich verwirrenden Schlussfolgerung, die im krassen Widerspruch zu den Ergebnissen der vorherigen Kapitel steht. «Die Begierde des Menschen kennt keine Grenzen», schreiben die Archäologen Paul Bahn und John Flenley in ihrem Buch Easter Island, Earth Island. «Sein Egoismus scheint genetisch vorgegeben zu sein.»

Mit anderen Worten: Die Tausende von Osterinsulanern, die sich gegenseitig gefoltert, getötet und gefressen haben sollen, verfügen über ein ausgezeichnetes Alibi. Es hat sie nie gegeben.

Ratten

Wir wissen, dass sich der Rattenbestand im Labor alle 47 Tage verdoppelt. Soll heißen: Ein Rattenpaar kann nach drei Jahren 17 Millionen Nachkommen hervorbringen.

Zu viele Umweltschützer unterschätzen die Wehrhaftigkeit des Menschen. Und ich fürchte, dass ihr Zynismus zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden kann, ein Nocebo, die entmutigt und die Erderwärmung dadurch nur beschleunigt. Auch die Klimabewegung braucht einen neuen Realismus. «Es besteht ein Unvermögen zuzugeben, dass neben Problemen auch Lösungen exponentiell wachsen können», sagte mir Professor Boersema.

Zu viele Umweltschützer unterschätzen die Wehrhaftigkeit des Menschen. Und ich fürchte, dass ihr Zynismus zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden kann, ein Nocebo, die entmutigt und die Erderwärmung dadurch nur beschleunigt. Auch die Klimabewegung braucht einen neuen Realismus. «Es besteht ein Unvermögen zuzugeben, dass neben Problemen auch Lösungen exponentiell wachsen können», sagte mir Professor Boersema. «Es gibt keine Garantie, aber es ist schon möglich.»

Homo puppy

Mit anderen Worten, der Homo puppy folgte den Anweisungen dieser Obrigkeit nicht blind. Wir hegen einen Abscheu vor herrischem Verhalten.

«Die Menschen sind bereit, sehr weit zu gehen und schwer zu leiden, um Gutes zu tun»,

Wie deprimierend darf’s denn noch werden? Babys haben bereits, bevor sie sprechen können, eine Abneigung gegen das Unbekannte. In Dutzenden von Experimenten haben die Forscher des Baby Lab nachgewiesen, dass Babys keine fremden Gesichter, seltsamen Gerüche, Fremdsprachen und seltsamen Akzente mögen. Es scheint, dass wir als Xenophoben geboren werden.

Laut Keltner sind es die freundlichsten und empathischen Menschen, die sich als Anführer herausbilden.  Survival of the friendliest.

«Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut.»

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts schrieb der britische Historiker Lord Acton die berühmten Worte: «Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut.» Inzwischen gibt es nur wenige Thesen, bei denen sich Psychologen, Soziologen und Historiker so einig sind. Dacher Keltner

In Wirklichkeit ist der Bonobo ein völlig anderes Wesen. Im 4. Kapitel haben wir bereits gesehen, dass sich das Tier, genau wie der Homo puppy, selbst domestiziert hat. Bonobo-Weibchen scheinen bei diesem Prozess die Hauptrolle gespielt zu haben. Obwohl sie körperlich schwächer sind, machen sie gemeinsame Sache, wenn ein männlicher Bonobo ein Weibchen belästigt. Im Extremfall beißen sie seinen Penis entzwei. Die Folge? Die Bonobo-Weibchen können sich aussuchen, mit wem sie sich paaren, wobei sie den freundlichsten Kerlen den Vorzug geben.

Wenn Sie etwas studieren oder versuchen, eine Philosophie zu bewerten, fragen Sie sich einfach nur, um welche Fakten es geht und welche Wahrheit von diesen Fakten gestützt wird. Lassen Sie sich niemals von dem beeinflussen, was Sie glauben möchten, oder von etwas, von dem Sie annehmen, dass es nützliche soziale Auswirkungen hätte, wenn es geglaubt würde. Betrachten Sie lediglich die Fakten.

Pygmalion-Effekt

Der böse Bruder des Pygmalion-Effekts ist der Golem-Effekt, benannt nach der jüdischen Legende eines Wesens, das geschaffen wurde, um die Bewohner von Prag zu beschützen, das sich jedoch in ein Monster verwandelte. Der Golem-Effekt ist ebenfalls allgegenwärtig. Menschen, von denen wir weniger erwarten, würdigen wir seltener eines Blickes. Wir halten Abstand. Wir lächeln ihnen seltener zu. Kurz gesagt, wir machen genau das, was Rosenthals Testpersonen getan haben, als sie die «dummen» Ratten auf das Labyrinth losließen.

Keynes

Nehmen wir die ökonomischen Blasen. Schon 1936 schrieb der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass Finanzmärkte wie eine Art Schönheitswettbewerb funktionieren. Angenommen, man präsentierte Ihnen 100 Fotos, und Sie müssten nicht darauf tippen, welches davon Ihnen das liebste wäre, sondern darauf, welches andere am meisten mögen.  In einer solchen Situation versuchen alle zu erraten, was jedermann denken mag. Und wenn jeder glaubt, dass alle anderen daran glauben, eine Aktie werde im Wert steigen, dann wird sie das auch tun. So etwas kann eine Weile funktionieren, bis die Blase platzt. Im Januar 1637 wurden während der «Tulpenmanie» in Amsterdam Tulpenzwiebeln für mehr als das Zehnfache des Jahresgehalts eines erfahrenen Handwerkers verkauft. Kurz darauf waren die Zwiebeln wertlos.

Management und Motivation

«Managen ist Schwachsinn. Man muss die Leute einfach ihren Job machen lassen.»

Kapitalist und der Kommunist

Das Faszinierende ist, dass die beiden großen Ideologien des 20. Jahrhunderts, Kapitalismus und Kommunismus, das gleiche Menschenbild zugrunde legen. Der Kapitalist und der Kommunist stimmten darin überein, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, Menschen in Bewegung zu setzen. Zuckerbrot und Peitsche. Der Kapitalist vertraute hauptsächlich dem Zuckerbrot (d.h. dem Geld), während der Kommunist die Peitsche (d.h. die Bestrafung) vorzog. Aber in einem waren sie sich vollkommen einig: Menschen motivieren sich nicht selbst.

Boni

Vor einigen Jahren haben Forscher der Universität von Massachusetts insgesamt 51 Studien zur Wirkung von Effekten finanzieller Anreize analysiert. Sie fanden «überwältigende Beweise», dass Boni die innere Motivation und den moralischen Kompass der Mitarbeiter abstumpfen können. Und als ob dieses Ergebnis nicht schon erschreckend genug wäre: Sie entdeckten zudem, dass Boni und Ziele auch die Kreativität beeinträchtigen können. Mit äußeren Anreizen bekommt man nämlich hauptsächlich mehr vom Gleichen. Wer stundenweise bezahlt, bekommt mehr Stunden. Wer pro Publikation bezahlt, bekommt mehr Publikationen. Wer pro Operation bezahlt, bekommt mehr Operationen.

So kann die Art und Weise, wie man Sie belohnt, Sie zu einer ganz anderen Person machen. Zwei amerikanische Psychologen haben vor einigen Jahren gezeigt, dass Rechtsanwälte und Berater, die stundenweise bezahlt werden, ihre gesamte Zeit in Anspruch nehmen werden. Auch wenn sie dabei nicht arbeiten. Die Folge: Juristen, die ihre Arbeitszeiten genau registrieren, sind auch weniger bereit, etwas darüber hinaus zu tun. Schließlich ist einfach, etwas schwieriger zu machen, aber es ist schwierig, etwas einfacher zu machen.»

Langeweile als Quell der Kreativität

Wenn aber alles vorgekocht wird, entwickeln wir dann überhaupt noch unsere eigene Neugier und Phantasie weiter? Gerade Langeweile könnte der größte Quell der Kreativität sein. «Kreativität kann man nicht unterrichten», schreibt der Psychologe Peter Gray, «man kann sie nur erblühen lassen.»

Kinder, deren Verhalten als zu verspielt galt, wurden in manchen Fällen sogar zum Arzt geschickt. So ist in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der Diagnosen, die auf «Verhaltensstörung» lauteten, enorm gestiegen. ADHS ist vielleicht das beste Beispiel – ich hörte einmal einen Psychiater seufzen, dass sie die einzige saisongebundene Störung sei, die er kenne: In den Sommerferien scheine sie keine Probleme zu bereiten, doch wenn die Schule wieder anfange, müssten eine ganze Menge kleiner Jungen wieder Ritalin schlucken.

Leistungsgesellschaft

Bildung ist zu etwas entartet, das man erduldet. Es wächst eine neue Generation heran, die die Regeln der Leistungsgesellschaft immer stärker eingebläut bekommt. Es ist eine Generation, die lernt, in einem Konkurrenzkampf mitzuhalten, in dem «Erfolg» vor allem an der Höhe des Gehalts und am Umfang des Lebenslaufs gemessen wird. Aber es ist auch eine Generation, die weniger über die Stränge schlägt. Eine Generation, die weniger träumt und wagt, weniger phantasiert und erkundet. Eine Generation, mit anderen Worten, die verlernt zu spielen.

«Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.» Oder wie es nach der Definition des Oxford English Dictionary heißt (die ich später entdeckte): «eine soziale Organisation, in der sämtliches Eigentum im Besitz der Gemeinschaft ist und der Beitrag und das Einkommen eines jeden von dem abhängt, was man beitragen kann und was man benötigt.»

Ein einfaches Beispiel: Man sitzt am Frühstückstisch und kann den Käsehobel nicht erreichen. «Kann ich den Käsehobel haben?», fragt man – und tatsächlich bekomme ich den Käsehobel überreicht, ganz ohne Rechnung. Das ist, was Anthropologen auch den «elementaren Kommunismus» nennen. Menschen sind verrückt danach, öffentliche Plätze und Parks, Musik und Geschichten, den Strand und das Bett miteinander zu teilen.

Den Norwegern gelang es sogar noch 2011, unter dem Eindruck des schrecklichsten Anschlags in der Geschichte des Landes, einen kühlen Kopf zu bewahren. Nachdem der Rechtsextremist Anders Breivik ein Blutbad angerichtet hatte, sagte der Premier: «Wir werden diesen Anschlag mit mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit beantworten.»

Inzwischen sitzt fast ein Viertel aller Häftlinge weltweit hinter amerikanischen Gittern.

Es ist eine alte Wahrheit. Von den schönsten Dingen im Leben bekommt man nur dann mehr, wenn man sie verschenkt: Vertrauen, Freundschaft, Frieden.

Aber Konnikova, die Expertin für Schwindel und Betrug, kam zu einem ganz anderen Schluss. Man solle besser einkalkulieren, dass man hin und wieder betrogen werde, schrieb sie. Das sei ein kleiner Preis für ein ganzes Leben, in dem man anderen mit Vertrauen gegenübertreten dürfe.

Visualisierte Zusammenfassung von Karina Stolz

Tolle Visualisierung von Karina Stolz zu dem Buch „Im Grunde gut“